Panel I

Panel I | Multispezies-Ökonomien in der Vielfach-Krise. Transformationen ländlicher Alltage

Panelleitung: Prof. Dr. Michaela Fenske (Würzburg)

Ländliche Ökonomien sind Multispezies-Ökonomien. Durch multiple Krisen der Gegenwart wie Klimawandel und Artensterben werden diese weltweit herausgefordert. Das bislang Selbstverständliche funktioniert immer weniger, zunehmend sind auch mögliche Zukünfte bedroht. Die sich abzeichnenden ökologischen und ökonomischen Transformationen betreffen insbesondere die in ländlichen Ökonomien lebenden Multispezies- Gemeinschaften. Durch neue Umgangsweisen mit Böden, Wassern, Tieren und Pflanzen stellen sie letztlich auch wichtige Veränderungen für Gesellschaften insgesamt dar.

In unserem Panel diskutieren wir, wie Akteur:innen in ländlichen Ökonomien auf diese Herausforderungen reagieren und fragen: Was verändert sich, und was wird verändert? Welche Praktiken, Ethiken, Wissensbestände werden diskutiert? Wie werden ländliche Alltage, ländliche Ökonomien und mit ihnen Gesellschaft sowie Zukünfte des Zusammenlebens ausgehandelt?

Im Kontext einer Anthropologie des Ländlichen, die Multispezies-Studien als ihr inhärent begreift, nähern sich die dichten empirischen Studien einigen Antworten:

 

Pearl-Sue Carper M. A. (Würzburg)
Potenziale einer Superfrucht: ‚Menschen-Hagebutten-Beziehungen‘ in ländlichen Ökonomien

Der Beitrag aus meinen Dissertationsforschungen widmet sich den Gestaltungsmöglichkeiten zukünftigen ländlichen Wirtschaftens am Beispiel der Alltagsfrucht Hagebutte. Hagebutten als wirkmächtige und widerstandsfähige Akteure verstehend, werden mittels empirischen Materials die Verwobenheiten zwischen Menschen, Pflanzen, Tieren und Umwelten speziell im Anbau, der Verarbeitung sowie Vermarktung der Wildfrüchte näher in den Blick genommen. Dabei wird die Bedeutung der Hagebutte im Rahmen einer Nischenökonomie nicht nur in Bezug auf lokale Aushandlungsprozesse, sondern ebenso in europäischen, spezifisch südosteuropäischen, Zusammenhängen diskutiert.

 

Dr. Arnika Peselmann (Würzburg)
Von Äpfeln und Menschen. Wissensproduktion in Multispezies-Ökonomien in der Vielfachkrise

Anhand eines alltäglichen Lebensmittels – des Apfels – diskutiert der Beitrag, wie Krisen und Konjunkturen das Menschen-Pflanzen-Verhältnis in ländlichen Ökonomien formen und transformieren. Basierend auf ethno- grafischem Material des von der DFG-geförderten Projektes ‚Mit Äpfeln handeln‘ (2022–2025) wird dargestellt, wie in der Apfelzucht und im Erwerbsobstbau im Alten Land Antworten auf ökologische wie ökonomische Krisen gesucht und wie in kollaborativer Wissensproduktion von Praxis und Forschung Zukünfte entworfen werden. Welche Vorstellungen von pflanzlichem Leben werden dabei deutlich, wie wird mehr-als-menschliche Handlungs- macht sichtbar und wie gestalten sich ländliche Alltage im komplexen Gefüge von Menschen, Pflanzen und anderen Lebewesen?

 

Jun. Prof. Dr. Laura McAdam-Otto (Würzburg)
Ambivalente Algen: Die Karibik zwischen ökologischer Krise und nachhaltiger Zukunft

Am Beispiel eines von der DFG-geförderten Projektes diskutiert der Beitrag auf Basis ethnographischen Materials Algen-Ambivalenzen. An Land und in küstennahen Gewässern wird die als invasiv deklarierte Alge Sargassum in der Karibik als Folge anthropogenen Klimawandels verstanden und als Bedrohung für Fischerei und Tourismus gesehen. Andererseits bindet Sargassum Kohlenstoff und im Rahmen erster Experimente werden die Algen auf dem Ozean gezüchtet und angebaut, um gegen die Folgen des Klimawandels zu arbeiten. Das Anlanden der Algen eröffnet den Raum für den experimentellen Umgang mit vermeintlichen Schädlingen und macht diskutierbar, welche Ökonomien in die Krise geraten und welche Konjunktur erfahren. Mit der zunehmenden Territorialisierung der Wasser wirft der Beitrag die Frage auf, wo die Landwirtschaft der Zukunft verortet sein wird.

 

Krister Steffens M. A. (Würzburg)
Vegane Landwirtschaft. Perspektiven auf Wissen und Praxis in einer alternativen Agrarproduktion

Der Argumentation einer ‚veganen Landwirtschaft‘ folgend, sind pflanzliche Lebensmittel nicht automatisch ‚vegan‘, da bei deren Herstellung oftmals tierliche Düngemittel wie Gülle Anwendung finden. Eine entsprechende Perspektive plädiert für ein Umdenken und greift damit auch Fragen zum Umgang mit gegenwärtigen Krisen auf. Anhand empirischen Materials aus einem laufenden Dissertationsprojekt zu ‚veganer Landwirtschaft‘ gibt der Beitrag Einblicke in die Alltage dieser alternativen Form von Agrarproduktion. Welches Wissen und welche Praktiken werden hier verhandelt und erprobt? Wie beeinflusst ein bewusst ‚viehloses‘ bzw. ‚veganes‘ Setting das komplexe Verhältnis von Menschen und anderen Lebewesen in einer entsprechenden ländlichen Ökonomie und Lebensmittelproduktion?

TU Dortmund

TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)
TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)

keuning haus

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund
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