Panel A

Vorläufig!? Pandemische Momentaufnahmen einer zukünftigen Gegenwart

Leitung: Dr.in Valeska Flor (Bonn)

Die pandemische Gegenwart ist durch intensive Anrufungen von Vergangenheit und Zukunft gekennzeichnet. Wahrnehmungen der Krise als Bruch entstehen vor dem Hintergrund von Erinnerungen an eine „Normalität“ der vergangenen Alltäglichkeit. Angesichts einer unsicheren Zukunft werden neue zeitliche Kontinuitäten etabliert und tradierte soziale, räumliche und zeitliche Arrangements zur Alltagsbewältigung reaktiviert und restrukturiert. Innovative Praktiken des Umgangs mit Ausnahmesituationen werden sichtbar, wenn Menschen neue Formen der Interaktion entwickeln und Alltagsräume kulturell neu definieren. Durch diese Alltagspraktiken werden zeitliche und räumliche Grenzen zwischen öffentlich, privat und digital neu geordnet und Zukunftsnarrative und -imaginationen, aber auch neue Ausschlüsse und Unsichtbarkeiten hervorgebracht.

 

Dr.in Valeska Flor (Bonn), Ruth Dorothea Eggel M.  A. M.  A. (Bonn), Victoria Huszka M.  A. (Bonn)

Pandemische Stadt. Zeit-räumliche Transformationen von urbanen ­Kulturen in und nach der Covid-19-Krise

In einem einjährigen, ethnografischen Drittmittelprojekt in Bonn (10/2020  – 09/2021) untersuchen wir konfligierende Raum- und Zeitentwürfe in urbanen Räumen während der Pandemie. Ehemals selbstbestimmte Bewegungen durch den öffentlichen Raum treffen auf neue Zeit- und Raumregime: Der spontane Restaurantbesuch wird zu einem reglementierten Event und der Aufruf zur zeitlichen und räumlichen Selbstorganisation (Home-Office, Home-Schooling) zur fremdbestimmten Selbstbestimmung. Experimentelle Praktiken veranschaulichen das Bestreben Zeit und Raum für Vergnügung zurückzuerobern. In diesen alltäglichen sozialen Interaktionen zeigen sich UnGleichzeitigkeiten, etwa in brüchigen Selbstverständlichkeiten inkorporierter Wissensbestände. Wie bezieht sich gegenwärtiges Handeln zugleich auf eine Normalität der Vergangenheit und ein unsicheres Morgen?

 

Ina Kuhn M.  A. (Freiburg)

Die gute Zukunft im krisenhaften Jetzt: Utopie-Festivals als Laboratorien für ein gutes Leben jenseits der Pandemie

Im Kontext aktueller Krisendiagnosen beanspruchen emergente, populärkulturelle Formate wie Utopie-Festivals – z. B. Move Utopia, Utopival – für sich, modellhaft eine alternative, gute Zukunft jenseits der Gegenwartsgesellschaft zu entwerfen, zu materialisieren und erfahrbar zu machen. Um mit den Mitteln der Gegenwart eine alternative Zukunft zu imaginieren und vorübergehend zu verwirklichen, brechen sie bewusst mit gegenwärtigen (Alltags-)Strukturen und Konventionen. Die Festivals funktionieren so als temporäre, außeralltägliche Aushandlungs- und Möglichkeitsräume – als Laboratorien – für eine gute Zukunft im krisenhaften Jetzt. Wie werden hier welche Vorstellungen von einer guten Zukunft imaginiert, antizipiert und exploriert? Empirisch basiert der Beitrag auf Vorarbeiten zum DFG-Projekt „Zukunft leben oder überleben?“ (10/2020 – 09/2023).

 

Dr.in Marion Hamm (Graz /AUT)

Öffentliche Festkultur als techno-sozialer Raum. Zur gesellschaftlichen Temporalität im pandemischen Ausnahmezustand

Im Rahmen eines Forschungszusammenhangs zum Verhältnis von Liminalität und Governance in einer pandemischen Situation an den Universitäten Graz und Ljubljana präsentiert der Vortrag erste Hypothesen zur Rolle von Techno-Sozialität in einem gesellschaftlichen Ausnahmezustand. Eine medien-ethnografische Untersuchung der Festa della Liberazzione während des italienischen Lockdowns im Frühjahr 2020 zeigt mit welchen Praktiken kollektive Zeithorizonte aufrechterhalten werden und wie ein politisches Gedenkritual in einer liminalen Gegenwart gedeutet wird. Die entstehende intime Öffentlichkeit wird als eine Form nationaler und zugleich grenzüberschreitender communitas interpretiert, geformt durch gegenpandemische Maßnahmen, und sie überschreitend.

 

Dr.in Nina Szogs (Hamburg), Mag.a Magdalena Puchberger M.  A. (Wien /AUT)

Reflex/ion in der Krise: „Soja im Museum“ als Prozess

Anhand des Projekts „Soja im Museum“ (Volkskundemuseum Wien) diskutieren wir Erfahrungen und Umsetzungen digitaler Museumsstrategien in Zeiten pandemie­bedingter Brüche und Kontinuitäten. Die Einzigartigkeit der Covid-19- Situation löste nicht nur bei uns Sammlungsreflexe aus, die einem befürchteten Relevanzverlust entgegenstehen sollten. Mit #SojaFromHome schlossen wir uns dem Pandemie-Hashtag und Handlungsfeld #MuseumFromHome an. Auch so wurden neue (digitale) Räume erschlossen und eine Gleichzeitigkeit in der Pandemie schien möglich. Der digitale Fokus produzierte und verstärkte aber ebenso Ungleichheiten und Unsichtbarkeiten, die (nicht-digitale) Besucher*innen und finanziell schwache Kultureinrichtungen betrafen. Wir machen in unserem Beitrag die Gegenwartsdimension stark, die uns im musealen Lockdown mit aller Wucht traf und Zukunftsprozesse in die Gegenwart holte.

Discussant: Dr. Lydia Arantes (Graz /AUT)

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