Panel S

Studentisches Panel

Leitung und Moderation: Maren Sacherer BA (Wien /AUT), Emil Gößling (Kiel)

Jasmin Petrowski MA (Freiburg)

„Nicht zu zerstören, sondern zu erhalten“. Eine Analyse nachhaltiger Alltagspraktiken über den Wert der Zeit

Inhaltlich würde sich dieser Beitrag auf meine Bachelorarbeit beziehen, welche ich Mai 2020 abgegeben habe und sich mit der Analyse nachhaltiger Alltagspraktiken beschäftigte. Ich habe hierfür mehrere narrative Interviews mit Individuen geführt, für die Nachhaltigkeit eine große Rolle spielt. Erforscht wurde, welche Praktiken sie nutzen, um ihren Alltag nachhaltiger zu gestalten, von welchen Aushandlungsprozessen dieser dadurch geprägt ist und inwiefern ihre Konsumpraktiken folglich als politisch zu sehen sind.

Neben einer nötigen intrinsischen Motivation und Überzeugung der Sache, wurde besonders deutlich, wie elementar die Abwägung von Zeit und Geld für eine nachhaltige Lebensweise ist. Eine der interviewten Personen zeigte dies besonders deutlich, da er konstant sein Studentenleben mit seiner jetzigen Festanstellung verglich und dies auf seine nachhaltige Lebensweise bezog, das heißt wie diese sich je nach finanziellen Mitteln und Zeit veränderte. Diese grundlegende Abwägung von Zeit und Geld findet in den verschiedensten Bereichen des alltäglichen nachhaltigen Lebens Anwendung. Denn in allen vier Bereichen des täglichen Konsums (Ernährung, Mobilität, Konsumgüter und Wohnen) ließ sich jeweils mindestens ein prägnanter Aushandlungsprozess von Zeit und Geld erkennen.

 

Manuel Bolz BA (Hamburg)

Wie du mir so ich dir. Biografische Racheerzählungen als Formen des Zeit-Handelns
[update 25.02.2022]

In meinem Beitrag im studentischen Panel möchte ich erste Ergebnisse meiner Masterarbeit vorstellen, in der ich mich dem Phänomen ‚Rache‘ als soziale und kulturelle Alltagspraxis annähere. Meine Arbeit verfolgt die Arbeitsfrage, wie Alltagsakteur:innen biografischen Rachegeschichten erzählen. wie Rache als spezifischer Krisenzustand verstanden wird und wie die Erzählpraxis als „kommunikative Emotionspraktik“ gedeutet werden könnte.

In meiner Forschung zeichne ich diese Erzählformen als eine widerspenstige und konfliktreiche Praxis nach: So erhält das Konzept ‚Rache‘ in den Narrationen nicht nur destruktive Zuschreibungen, sondern durch die Einbettung in Plausibilisierungs- und Argumentationsstrategien werden ihm darüber hinaus auch ordnende, produktive und (re)aktivierende Kräfte zugeschrieben.

Mein Betrag zeigt auf: Das Imaginieren, Erfahren und Erzählen von ‚Rache‘ kann durch die Analysekategorie ‚Zeit‘ begreifbar und analysierbar gemacht werden. Bereits auf den ersten Blick spricht das Konzept von ‚Rache‘ eine zeitliche Dimension an: auf eine erlittene erste Handlung und persönliche Verletzung folgt eine zweite Handlung, welche ggf. eine Handlung dritter Ordnung auslöst usw. Hier bestehe die Möglichkeit bzw. das rachespezifische Potenzial, einen ‚Rache-Kreislauf‘ in Gang zu setzen, welcher durch seine hochgradig emotionale und affektive Dimension über das Muster ‚Handlung-Gegenhandlung‘ hinausgeht.

Jedoch werden nicht nur auf der strukturellen Ebene von ‚Rache‘, sondern auch in den biografischen Narrationen der Alltagsakteur:innen die Verknüpfung von Zeithorizonten wie ‚Vergangenheit‘, ‚Gegenwart‘ und ‚Zukunft‘, Erwartungen, Hoffnungen und Spekulationen sichtbar. ‚Zeit‘ fungiert an dieser Stelle als sinnstiftende, mehrdimensionale Interpretationsfolie, um Erlebtes zu deuten.

Grundlage für meine Masterarbeit sind 20 leitfadengestützte Interviews, Podcasts und Populärkultur, Zeitungsartikel, informelle Gespräche und die qualitative Inhaltsanalyse von Rache-Ratgebern, von denen ich Beispiele vorstellen werde.

 

 

Arthur Sobrinho (Zürich /CH)

Auf der Suche nach der pandemischen Zeit. Oder: Die Artenvielfalt medialer Zeitlichkeiten

Auf der Suche nach der pandemischen Zeit lassen sich viele Befunde, aber keine klaren Konturen von „Zeit“ aufspüren. Fiktive Denkfiguren helfen uns dabei, Zugänge zu latenten Spuren freizulegen: 2020 wurde noch so manche Vergangenheit wiederbelebt, der feuilletonistische Diskurs wurde mit diversen Untoten bevölkert (Žižek, Bronfen, Robnik, Seeßlen). Die derzeit anhaltende Pandemie, in der Lesart als Bruch, verändert „Zeit“ als solches nicht grundsätzlich. Die Evaluation bisheriger Umstände und Prozesse allerdings ermöglicht es uns, Zeit anders zu sehen, anders zu denken.

So messbar wie alltägliche Zeitlichkeiten präsentiert werden – ob auf dem Arbeitsweg, beim Filme schauen oder in Form geteilter Inhalte auf Sozialen Medien – so dürfen ihr ebenso adaptive, virale und polyrhythmische Elemente zugeschrieben werden. Diese Diversität an Zeitformen führt zu Spielarten untoter Unendlichkeiten, interdependenter in- und auseinandergleisenden Prozessen und fortwährend nie Gewordenem. Solche und weitere komplexen Konzepte sind zwar zentral im Alltag und doch jenseits alltäglicher Gespräche. Dieses geisterhafte Verhältnis überlagerter Zeiten zum (Nicht-)Sein bewegt sich inmitten von Zwischenräumen (Hauntology). Räume, die gerne auch von fantastischen Figuren bewohnt werden. Räume, in denen (sie auch als) Intermediaries operieren (Latour).

Mein Beitrag beruht auf in einem Projektseminar zu pandemischen Räumen entstandenen Foto-Essay. Die Präsentation ist als audio-visuelle Performance konzipiert und soll als synästhetischer Beitrag die Teilnehmenden dazu anregen Temporalitäten als analytisches Werkzeug neu zu bewerten.

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