Plenarvortrag VII
PD Dr. Ina Dietzsch (Basel/CH)
Waterworlds revisited
Spätestens die Hitzewelle dieses Sommers hat die Abwesenheit von Wasser zum gesellschaftsfähigen Thema in mitteleuropäischen Regionen werden lassen, in denen sonst kaum die Sorge um die Verfügbarkeit von Wasser besteht. Das Fischsterben im Rhein, ausgetrocknete Flüsse, die Frage, ob in den nächsten Jahren ein Mangel an Trinkwasser zu befürchten sei und was das alles mit Klimawandel zu tun habe, dies alles beschäftigt/e die Diskussion nationaler wie regionaler Medien. Vor dem Hintergrund einer solchen Aktualität wird der Vortrag der Frage nachgehen, warum und in welcher Form Wasser zum Gegenstand kulturanthropologischen Wissens gemacht wird bzw. werden kann. Es wird dabei die Perspektive einer Wissensanthropologie eingenommen, die (konfligierende) Bedeutungen und Wissenspraxen im Zusammenhang mit neuen Dynamiken und verschiedenen Skalierungen analysiert. Konkret wird gefragt: Wie wird Wasser eigentlich gewusst? Welche Routinen der Wissensproduktion werden sichtbar und welche Wissensbestände können als Ressourcen aktiviert werden, wenn in einer (Krisen-)Situation routinierte Praxen des Umgangs und Managements von Wasser auf den Prüfstand kommen und gesellschaftliche, lokale und globale Zukunftsvorstellungen neu verhandelt werden. Wasser wird dabei in verschiedenen Ontologien sichtbar: Es existiert mit seinen spezifischen chemischen und physikalischen Eigenschaften, virtuell in Berechnungen, auf Bildern in analoger und digitaler Form. Es ist Symbolträger und damit Teil dessen, was wir mit einem traditionellen Begriff unter Kultur verstehen können. Es berührt Grundfragen von Anthropologie und Biopolitik, weil es dem menschlichen Körper innerlich und äusserlich ist und die Verfügbarkeit von Wasser über Leben und Tod bestimmt. Es ist Teil einer vom Menschen abgetrennten, naturwissenschaftlich erzeugten «Natur». Es ist Objekt und Subjekt politischer Auseinandersetzungen.
Ein genauerer Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Wasser immer wieder sowohl philosophisch (u.a. durch G. Bachelard, G. u. H. Böhme oder A. Schwarz) als auch vor allem in der englischsprachigen anthropologischen Theorie zum Thema gemacht wurde (vor allem durch K. u. F. Hastrup, S. Helmreich, T. Ingold). Der Vortrag arbeitet anhand aktueller empirischer Befunde die vielfältigen aktuellen heuristischen Potentiale bereits vorhandener Arbeiten heraus und diskutiert neue Perspektiven für eine Anthropologie des Gegenwärtigen und Zukünftigen, die Wasser zu einem expliziten Gegenstand macht.