Workshop 2

Workshop 2 | Alltag – Krise – Innovation. Symbolische, narrative und performative (Neu)ordnung eines Krisenalltags

Workshopleitung: Gabriele Dafft M. A. (Bonn)
Beteiligte: Dr. Katrin Bauer, Andrea Graf M. A., Dr. Lisa Maubach, Dr. Dagmar Hänel (Bonn)

Krisen bezeichnen unserem Vorverständnis nach sowohl Einschnitte in individuelle Lebenszusammenhänge als auch kollektive Wendepunkte von Gesellschaften. Sie markieren Phasen der Destabilisierung und Diskontinuität von vermeintlich vertrauten Alltagsordnungen und können überkommene Überzeugungen und Werte in Frage stellen. Gegenwärtige Ereignisse wie Corona-Pandemie, Energiekrise oder der Ukraine-Krieg führen eindringlich vor Augen, wie sehr krisenhafte Erfahrungen gerade auch in verschiedenen Feldern des täglichen Lebens wirksam sind und diverse Transformationsprozesse anstoßen. Dieser Wandel ist begleitet von komplexen Aushandlungs- prozessen, in denen die Gesellschaft oder soziale Gruppen nach Lösungen suchen, wie die Krise überwunden werden kann. Während auf der einen Seite die Krise den Alltag auf den Kopf stellt, entstehen auf der anderen Seite neue Routinen, Praxen und Narrative, die dazu beitragen neue Ordnungen herzustellen. Krisen wirken so auch als gesellschaftlicher Motor, sie bringen Innovationen hervor und erzwingen Wandel. In diesem Workshop soll genau diese Wirkmächtigkeit von Krisen als Perspektive aufgezeigt und diskutiert werden. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Strategien individuell wie kollektiv eingesetzt werden, um Alltagsordnungen neu herzustellen und letztlich zu stabilisieren. Im Fokus stehen drei miteinander vernetzte Themenkomplexe, in denen krisenhafte Erfahrungs- horizonte von sozialen Gruppen und Individuen reflektiert und vor allem mit Blick auf mentale, symbolische, narrative oder performative Bewältigungsstrategien analysiert werden.

„Heimat“ in der Krise?

Der Verlust von räumlichen und sozialen Zugehörigkeiten durch biographische Brüche wie beispielsweise erzwungene Migration, tagebaubedingte Umsiedlung oder einschneidende Katastrophenereignisse geht in der Regel mit einer Phase umfassender Verunsicherung und Neuorientierung einher. Das Panel stellt dar, welche Mittel der Verortung und Vergemeinschaftung Akteur*innen entwickeln, um neue beziehungsweise ergänzende Bindungen aufzubauen. Mit welchen Beheimatungsstrategien richten sie sich in einem neuen Alltag ein? Welche Probleme treten dabei auf und wie werden sie überwunden?

Rituale – performatives und symbolisches Krisenmanagement

Der Entwicklung alternativer oder innovativer Rituale als Folge – mitunter auch Ursache – von Krisen wird am Beispiel von Trauerkultur, Protestritualen und traditionellen Festen nachgegangen. Dabei geht es um die gemeinschaftsstiftende Funktion solcher Rituale und um die Frage, welche Rolle sie bei der Aushandlung von Werten und Identitäten sowie der Herstellung neuer Ordnungen spielen können.

Erinnerung aushandeln, Wissen ordnen

Was passiert, wenn kontroverse Vorstellungen über eine „angemessene“ Gedenkkultur kollidieren oder wenn der Verlust von Wissen droht? Dieser Themenkomplex beschäftigt sich vor allem mit der Aushandlung von mentalen Ordnungen und wie diese repräsentiert werden. Darüber hinaus geht es um praxisorientierte Herausforderungen der musealen Repräsentation von Wissensbeständen. Die Frage, wer die Deutungsmacht darüber hat, welche Erinnerung „richtig“ und welches Wissen darstellungswürdig ist, bildet eine thematische Klammer.

Krisen sind Deutungsphänomene und Kulturbeschreibung und haben daher starken Konstruktionscharakter. Die Sprache ist dabei sowohl Mittel, um ein Phänomen als Krise überhaupt erst zu legitimieren, als auch Instrument, um die Krise zu bewältigen. Das Panel bedient kein klassisches Vortragsformat, vielmehr sollen – ähnlich wie bei der Krisenbewältigung selbst – innovative, experimentelle Formate kaleidoskopisch das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven multimedial beleuchten. Dieses Kaleidoskop soll die Alltagsrelevanz von Krisen deutlich machen und wirft die spannende Frage auf, ob und unter welchen Bedingungen Bewältigungsstrategien generalisierbar sein können.

Ablauf

  1. Theoretische Einführung in das Thema, Vorstellung einer Krisendefinition und eines Krisenmodells, das die verschiedenen Phasen einer Krise identifiziert und die Prozesshaftigkeit von Krisenphänomenen anschaulich macht. (Gabriele Dafft)
  2. Multimediale Präsentation von Forschungsergebnissen aus dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, die die oben genannten Schwerpunkte aufgreift. (Katrin Bauer, Andrea Graf)
  3. Podiumsdiskussion „Wir kriegen die Krise!“ (Dagmar Hänel, Lisa Maubach, Katrin Bauer, Gabriele Dafft)

Die Abteilung Alltagskultur und Sprache des Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte ist als Landesstelle mit einer Vielzahl von Aufgaben zur Dokumentation, Erforschung und Vermittlung der regionalen Alltagskultur im Rheinland betraut. In den letzten Jahren widmeten sich Forschungsprojekte verstärkt kulturellen Transformationsprozessen, die durch Krisen beeinflusst werden. Der Workshop diskutiert auch die Herausforderung einer außeruniversitären Forschungseinrichtung, die sich bei der Vermittlung ihrer Ergebnisse im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und breiter (regionaler) Öffentlichkeit bewegt.

TU Dortmund

TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)
TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)

keuning haus

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund