Post-Con_1

Zufälle und Zusammenflüsse:
Walking With Water – entlang Kieler Wasserwelten
Juliana Lux M.Sc. / Nada Rosa Schroer MA

Mit einem experimentellen „Walkshop“ entlang der Kieler Förde befragen wir die kulturwissenschaftliche Forschung zu und mit Wasser. Im Vordergrund steht der methodische Austausch und die Vernetzung mit Expert*innen und Wissenschaftler*innen, die sich in ihrer empirischen und alltäglichen Arbeit mit dem Themenfeld Wasser auseinandersetzen. Ziel ist es, interdisziplinäre methodische Zugänge am Beispiel Kieler Wasserwelten sichtbar zu machen und in Anlehnung an das Kongressthema mit wässrigen Zufällen in Kontakt zu kommen.
Der Walkshop geht von einer neuen materialistischen und relationalen Perspektive aus (Alaimo 2008; Barad 2007; Haraway 2016), die Materie eigenständige Wirkmächtigkeit (agency) zuschreibt (Chen et al. 2013; Neimanis 2017). Mittels der von dieser Perspektive inspirierten Methode des “walking-with” (Sundberg 2014; Truman und Springgay 2018) richten wir unsere Aufmerksamkeit auf Wasserorte, die Geschichten über das Verhältnis von Kontrolle und Unvorhersehbarkeit im Umgang mit Wasserkörpern im urbanen Kiel erzählen. Dazu verlassen wir die Kongressräume und begeben uns zu Orten, an denen Wasserkörper zusammenfließen, unter anderem zur Mündung des Nord-Ostsee-Kanals in die Kieler Förde. Im Sinne der “research-creation” (Truman und Springgay 2015) setzt der Beitrag auf multimodale, wissenschaftlich-kreative Herangehensweisen, die Zufall und Überraschung Raum geben. Vor diesem Hintergrund schlagen wir eine Verbindung aus Spaziergang und Workshop vor. Das Format verbindet multisensorische Wahrnehmungen und Storytelling mit Inputs von Akteur*innen aus Wissenschaft, Kunst und Zivilgesellschaft, die sich im Alltag oder ihrer professionellen Praxis ortspezifisch mit Wasser beschäftigen, beispielsweise vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt, oder der Initiative Kiel Postkolonial. Auf diese Weise sollen unterschiedliche Zugänge zu (konfliktreichen) hydrosozialen Dynamiken im städtischen Raum offengelegt und methodische Zugänge zu Wasser exploriert werden. Welche Begegnungen mit Wasser werden dann möglich?
Ein spezieller Fokus liegt auf dem Experiment mit Methoden der posthumanen, (hydro-)feministischen Phänomenologie von Astrida Neimanis. Diese umfasst Praktiken verkörperter Aufmerksamkeit (embodied attunement/body hermeneutics), des Geschichtenerzählens (proxy stories) und der Nutzung von wissenschaftlichen Technologien und Medien, um die eigene Wahrnehmung zu erweitern (stretching sensory perception) und mehr-als-menschlichen Entitäten in hydrosozialen Systemen Aufmerksamkeit zu schenken (ebd. 2017, 53–58). Der Walkshop schließt mit einem kollektiven Mapping ortsspezifischer Erfahrungen und diskursiver Anschlüsse.
Im Laufe des 20. Jahrhundert verdrängten rational-wissenschaftliche Ansätze lokale Epistemologien und Beziehungsweisen zum Wasser. Als “modernes Wasser” (Linton 2010) wurde es zu einer mess- und extrahierbaren Ressource reduziert. Dabei fördern anthropozentristische Konzepte, wie der globale Wasserkreislauf (Global Commission on the Economics of Water 2024), die Vorstellung von Verwaltbarkeit, Planbarkeit und Nutzbarmachung planetarer hydrologischer Beziehungen. Astrida Neimas identifiziert darin ein Denken in Kategorien menschlicher Vorherrschaft und stellt heraus, dass “adopting an aqueous orientation to the Anthropocene reminds us that the keyword of this epoch is control – where, unsurprisingly, the perverse antidote to waters out-of-control is more control” (ebd. 2017, 161). Plötzliche Extremwetterereignisse, das Versagen von Infrastruktur oder das Ringen mit Hochwasseranpassungsmaßnahmen zeigen, dass Wasser sich immer wieder menschlicher Kontrolle entzieht (Koslov 2016). Kontrollvorstellungen aufzubrechen verlangt, Beziehungen zu Wasser neu zu betrachten und dessen Wirkmächtigkeit mitzudenken (Gies 2022). Einen Anhaltspunkt kann die hydrofeministische Figuration der bodies of water bieten (Neimanis 2017). Neimanis schlägt eine materialistische und verkörperte Lesart vor, die die Porosität von menschlichen und Wasserkörpern betont. Statt Grenzziehungen steht die “hydro-logic of unknowability” (Neimanis 2017a) im Vordergrund. Auch müssen Wechselwirkungen und Komplexitäten hydrosozialer Systeme anerkennt werden (Linton und Budds 2014). Diese Ansätze betonen Unkontrollierbarkeit und stellen das globale Wassermanagement infrage, wobei der Fokus auf situierten Beziehungen liegt. Individuen, Gemeinschaften und Ökosysteme werden als miteinander werdend (becoming with) betrachtet (Barad 2007; Haraway 2016).
Das Format richtet sich an Forschende zum Thema Wasser und fördert die Vernetzung der Teilnehmenden bereits während des Workshops. Angestrebt ist ein langfristiger Austausch zwischen Nachwuchswissenschaftler*innen der DGEKW, um empirisch-kulturwissenschaftliche Wasserforschung zu bündeln und weiterzuentwickeln.

Treffpunkt wird auf Kongresswebsite bekannt gegeben!

Christian-Albrechts-Universität Kiel

TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)
TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)

Veranstaltungsgebäude 2

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund