Rahmenprogramm-2

Spiel:Zeit
Das KULA Games Kollektiv präsentiert:
KULT – Anthropology in Action

Sprichwörtlich gerät beim Spielen die Zeit in Vergessenheit. Schon früh wurde in der Spielforschung beobachtet, dass Akteur:innen während des Spielens aus der Alltagszeit heraus und in eine zweite Realität eintreten (Huizinga 1992).  Heute werden Spiele als „porös“ (Pearce 2009) definiert und die Wirklichkeit des Spiels nicht von anderen Wirklichkeiten abgekoppelt betrachtet. Klassische Studien zu Spiel als Teil liminaler und ritualisierter Gemeinschaftsereignisse (Geertz 1973, Hamayon 2016, Turner 2009) haben dazu ebenso beigetragen, wie Ethnographien, die etwa Computerspiel im Hinblick auf soziale Relationen, Lebenswelten und Selbstverständnisse alltäglichen Miteinanders in den Blick nahmen. Unbenommen aber bleibt, dass die Erfahrung von Spiel eine eigene zeitliche Dimension eröffnet. Das Zeiterleben von Spiel unterliegt Regeln und Bedingungen, unter denen die Spielenden zusammenkommen und eine Handlungsgemeinschaft bilden. Spielzeit erscheint als Auszeit vom Alltag, weil das Erleben einer Rhythmisierung unterworfen wird, etwa Gemeinschaft durch die Eigenzeit des Spiels entsteht. Sinnbildlich hierfür stehen etwa die oftmals eingesetzten Spielmechaniken des Zeitmessens in Form von Sand- und Stoppuhren, die eingebettet in kompetitive Dynamiken den Eigenzeitraum des Spiels takten.

Spiel und Spaß sind für die Meisten zwei Seiten einer Medaille. Spaß, aus dem italienischen in der Frühen Neuzeit über spasso ins Deutsche gelangt, verweist neben der Bedeutung „Vergnügen“ auf eine weitere zeitliche Dimension des Spiels, den „Zeitvertreib“. Die immersive Kraft des Spielens kann das Zeitempfinden aus den Angeln heben. Inwiefern diese transgressive und transtemporale Kraft des Spiels auch die temporalen Regulierungen einer Tagung durchbrechen kann, wollen wir in diesem „Zeitslot“ gemeinsam durch ein kollektives Spielerlebnis testen.

Als geistiges Kind der Pandemie hat sich 2021 das KULA Games Kollektiv formiert. Das Kollektiv entwickelt kulturanthropologische Spiele und lotet dadurch zugleich Grenzen und Möglichkeiten des spielerischen Umgangs mit kulturanthropologischem Wissen aus. Daher ist Spiel:Zeit. Auf der dgekw-Tagung in Regensburg wollen wir das erste Spiel „KULT – Anthropology in Action“ präsentieren und gemeinsam spielen.

„KULT – Anthropology in Action“ ist ein analoges und digitales Kartenspiel, das eine lustige, leidenschaftliche und vor allem spielerische Auseinandersetzung mit kulturwissenschaftlichen Konzepten eröffnet. In begrenzter Zeit müssen kulturanthropologische Begriffe so einfach wie möglich erklärt werden, ohne dabei vorgegebene Sperrbegriffe zu nutzen. Dabei werden Kommunikationsfähigkeiten trainiert, Gemeinschaften gebildet und evtl. neue Wörter oder neue Aspekte ihrer Definitionen ausgehandelt. Das Spiel ermöglicht kulturwissenschaftliche Konzepte spielerisch und in der Gemeinschaft anzueignen. Durch den niedrigschwelligen Zugang zu Begriffen bietet es sich für den didaktischen Einsatz in der Lehre an. Es ermöglicht einen unmittelbaren Zugang zu komplexen Konzepten. Insofern zeigt „KULT“, wie Wissen in intersektionalen Kontexten antiautoritär und unhierarchisch vermittelt werden kann. Die Spielkonzeption wird zu Wissen(schaft)skommunikation: Wissenschaftliche Erkenntnisse über Kultur und Gesellschaft werden nicht-wissenschaftlichen Interessierten im Zeitvertreib vermittelbar und daraus erwachsende Perspektiven unmittelbar eingeübt.

„KULT – Anthropology in Action“ regt zur Diskussion an, fordert dazu heraus Konzepte neu zu denken und zu hinterfragen. Letztlich macht es einfach Spaß! Das Spiel existiert aktuell als Web-App und wurde bereits zweimal im kleineren Fachkontext vorgestellt und getestet: Zunächst im Rahmen der Tagung „Anthropology beyond text“ des Stadtlabors for Multimodal Anthropology (Berlin), dann auf der diesjährigen 15. dgv-Doktorand:innentagung (Niederau). Bis zur Tagung in Regensburg soll neben der Web-App außerdem auch eine gedruckte Variante des Kartenspiels vorliegen.

KULT Anthropology in Action: Enter the Kultural-anthropological Universe through Ludic Theory.

 

KULA Games Kollektiv

– Anne Dippel (Universität Jena)

– Hannah Kanz (Universität Freiburg)

– Stephanie Schmidt (Universität Innsbruck)

TU Dortmund

TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)
TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)

keuning haus

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund