Prof. Dr. Bernhard Fuchs (Wien/AUT)
Flashmob ohne Überraschungen? Die paradoxe Praxis der Bollywood-Flashmobs
Entgegen dem ursprünglichen Konzept des Flashmobs – nach Bill Wasik 2003 – tragen Bollywood-Flashmobs, die seit 2012 von der Fan-Community in Wien organisiert wurden, zwar diese Bezeichnung, der Überraschungsmoment ist jedoch meist deutlich reduziert. Die Choreografien werden monatelang geprobt und häufig finden sich schon vor der Performance Personen ein, die eingeweiht wurden. 2015 wurde ein Flashmob mit Geflüchteten sogar im Voraus in Tageszeitungen angekündigt und in der Folge von zahlreichen Schaulustigen, Prominenten und Medienleuten aufgesucht. Die Formen umfassen derartige politisch engagierte Smart-Mobs aber auch kommerzielle Branded-Mobs als Produktwerbung oder auch den Bollywood-Flashmob als Angebot, das für Veranstaltungen wie Hochzeiten gebucht werden kann.
Mediale Repräsentation ist ein wesentliches Element dieser Flashmobs. Es geht nicht allein um das Ritual, welches in der Alltagssphäre einen liminalen Raum herstellt, sondern die Performanz wird mit Kameras dokumentiert und der zusammengeschnittene Film auf YouTube geteilt. Das synthetische Produkt kann auch eine internationale Vernetzung sichtbar machen, wie im Fall des ersten internationalen Bollywood-Flashmobs, an dem Tänzer:innen in 19 Städten in 10 Nationen partizipierten.
Während das Prinzip des Flashmobs in der Störung und Irritation im Alltag besteht, versuchen Akteur:innen der Bollywood-Szene in Wien umgekehrt ihre eigene Performance vor Unwägbarkeiten und Unterbrechungen zu schützen. Die Erzählungen einer Tanzlehrerin und Organisatorin von Flashmobs betonen Momente der Störung, des Eindringens in den Raum, der durch ihre Performanz als Bühne definiert wird. Obwohl die künstlerische Performance auf Überraschung abzielt, werden umgekehrt Intrusionen und Irritationen problematisiert.