Sektion_3_B

Gabriele Dafft M.A. (Bonn)
“Als was gehst du denn?” Die Wirkmächtigkeit des Zufalls und der Improvisation beim Sich-Verkleiden im Karneval

Die Vielfalt von Kostümierungen übt im Brauchkomplex “Rheinischer Karneval” eine besondere Faszination auf seine Akteur*innen aus: Die Verkleidung erleichtert den Einstieg in die außeralltägliche Erfahrung des sinnlichen und rauschorientierten Festes. Die Farbenpracht der Kostüme spricht die Fantasie an, sie bietet nicht nur visuelle Reize, sondern auch die Möglichkeit, kreativ zu werden. Darüber hinaus geben Kostümierungen Impulse zu sozialen Interaktionen: Das gemeinsame Schneidern im Freund*innenkreis, das Beobachten von Kostümen im Straßenkarneval, das Kommentieren von Verkleidungen zur Kontaktanbahnung. Schließlich ermöglichen Kostüme ein Spiel mit Rollen und Identitäten, eröffnen Räume der Selbstdarstellung, der Distinktion, der Gemeinschaftsbildung und nicht zuletzt der Ab- und Ausgrenzung.

Angesichts der skizzierten Funktion und Bedeutung von Verkleidungen stellt sich die Frage, wie die Akteur*innen die Wahl für “ihr” Kostüm treffen? Inwieweit beeinflussen unvorhergesehene Ereignisse und Situationen die Praxis des Sich-Verkleidens und wie werden sie dadurch bewältigt? Welche Wissensbestände, Fähigkeiten und Haltungen setzen Akteur*innen des Rheinischen Karnevals ein, um mit Überraschendem umzugehen oder es umgekehrt zu produzieren? Unvorhersehbare Faktoren bei der Kostümwahl können ebenso unerwartete lokale oder geopolitische Ereignisse sein wie ein plötzlicher Wetterwechsel oder die kurzfristige Einladung zu einer Veranstaltung, die anderen Konventionen folgt als die sonst bevorzugte Art Karneval zu feiern.

Der Vortrag lotet aus, wann Zufall und Intuition auf der einen und planmäßiges Vorgehen sowie kalkulierbare Rahmenbedingungen auf der anderen Seite wirkmächtig werden. Er zeigt Dynamiken des Improvisierens auf, wenn bisherige Kostüm-Pläne zu Nichte gemacht und neu ausgehandelt werden. Darüber hinaus wird die Rolle zufälliger Konstellationen bei der Rezeption von Kostümen beleuchtet. Gibt es “unpassende” Kostüme und was macht man, wenn man plötzlich merkt: “Scheiße verkleidet”? (Songtitel der Kölner Band “Köbes Underground”, 2010)

Auf Basis narrativer Interviews gibt der Vortrag Einblicke in ein Ausstellungsprojekt des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte und des Stadtmuseums Bonn anlässlich des Jubiläums “200 Jahre Bonner Karneval”.

Christian-Albrechts-Universität Kiel

TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)
TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)

Veranstaltungsgebäude 2

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund