Dr. Jens Wietschorke (München, Wien/AUT)
Make Fake News Great Again! PowerPoint-Karaoke und Wissenschaftstheorie
Eine wissenschaftliche Präsentation, die nicht nur die Zuhörenden, sondern auch die Referierenden überrascht: PowerPoint-Karaoke ist ein populäres Wettbewerbsformat, das angeblich 2005 in Karlsruhe erfunden wurde und bei dem es darum geht, zu nie zuvor gesehenen Foliensätzen aus dem Internet einen frei improvisierten Vortrag zu halten. Die Kontingenz und Unvorhersehbarkeit der Themen verlangt von den Vortragenden Reaktionsvermögen und Kreativität und sorgt für absurde Komik. Laut einer aktuellen Ludwigsburger Veranstaltungsankündigung ist PowerPoint-Karaoke “eine Persiflage auf den alltäglichen PowerPoint-Irrsinn im Büro oder im Hörsaal”. Diese Versuchsanordnung lässt sich allerdings auch umkehren: Was verrät die Persiflage eigentlich über die Praktiken der wissenschaftlichen Präsentation? Der Vortrag nutzt das Phänomen PowerPoint-Karaoke zu einer wissenschaftstheoretischen Reflexion über Routinen des Vortragens und über das Verhältnis zwischen Sehen, Wissen und Vermitteln im wissenschaftlichen Erkenntnis- und Kommunikationsprozess. Insbesondere wird dabei nach den Besonderheiten kulturwissenschaftlicher Epistemologien gefragt: Sind nicht gerade Kulturwissenschaftler:innen besonders geübt darin, scheinbar zufälliges Material zu interpretieren und auf seine verborgenen Strukturen hin zu lesen – bis hin zu dem, was Bernd Jürgen Warneken einmal polemisch das “interpretatorische Lifting” relativ beliebiger kultureller Phänomene genannt hat? Oder anders gefragt: Lässt sich mit der vielzitierten “kulturwissenschaftlichen Brille” auf der Nase nicht besonders gut PowerPoint–Karaoke spielen?