Marie Scheffler M.A. (Vechta, Bremerhaven)
„Dann muss ich halt jetzt Energiewirt werden.“
Landwirtschaftliche Aushandlungsprozesse von Alltag, Arbeit und Umwelt im Kontext der regenerativen Energieerzeugung
Die Energiewende ist eines der drängenden Themen unserer Zeit. In Diskussionen um verfügbare Flächen für den Ausbau regenerativer Energien gerät die Landwirtschaft verstärkt in den Fokus.
Die Arbeit in der Landwirtschaft ist nach wie vor maßgeblich geprägt von Unbestimmtheit und dem Zufälligen; Jahreszeiten, Wetter, Klima und Umwelt bestimmen den landwirtschaftlichen Alltag. Immer stärker beklagen Landwirt:innen auch unbeständige politische Rahmenbedingungen und die Unsicherheiten des fortlaufenden Strukturwandels – eine als ungewiss und krisenhaft wahrgenommene Situation in der Landwirtschaft manifestiert sich in seit Jahren stattfindenden, bundesweiten Protestaktionen und in einer Vielzahl von Betriebsaufgaben.
In Kontexten von ökonomischer Prekarität, Klimawandeldiskursen und Fragen um die Zukunft nachhaltigen (Land-)Wirtschaftens sehen Landwirt:innen sich so mit multiplen Herausforderungen konfrontiert. Die regenerative Energieerzeugung im Betrieb kann einerseits als zusätzliche Einnahmequelle zur Minderung wirtschaftlicher Belastungen beitragen, andererseits führt die Integration dieser Technologien zu grundlegenden Veränderungen im Berufsfeld der Landwirtschaft. Neue Konfliktfelder, wie Debatten um Flächennutzung und die Zukunft der Nahrungsproduktion, entstehen. Implementierungsprozesse der neuen Technologien, unklare Finanzierungsund Wirtschaftlichkeitsfragen, aber auch Auswirkungen der Energieerzeugung auf Hofgefüge und -traditionen bedeuten teils unvorhersehbare Hürden für Landwirt:innen.
Das hier vorzustellende Dissertationsprojekt untersucht im Raum Nordwest-Niedersachsen, inwiefern die Energieerzeugung die Landwirtschaft transformiert und welche Auswirkungen dieser Wandel auf das Selbstverständnis des Berufsstandes hat. Am Beispiel der Energieerzeugung eröffnen sich komplexe Verflechtungen von Mensch, Technik und Umwelt: Inwiefern verändert die Energieerzeugung alltägliche Arbeitspraktiken von Landwirt:innen? Welche Ungewissheiten begegnen ihnen und wie werden diese verhandelt? Welche Rolle spielen Umwelt- und Naturbilder und wo verorten Landwirt:innen sich selbst innerhalb dieser Netzwerke? Kann die Energieerzeugung gar selbst als Umgangsform mit dem Unerwarteten betrachtet werden? Diese Fragen diskutiert der Beitrag anhand von exemplarischen Einblicken in das erhobene empirische Material des laufenden Dissertationsprojekts.