Laura Brammsen M.A. (Kiel)
Ästhetiken der (Un-)Sicherheit im Alltag von Versicherungsnehmer*innen
„Ich finde Versicherungen irgendwie lästig. Lästig, aber wichtig.“ Exemplarisch zeigt die Aussage einer Versicherungsnehmerin, dass dem Zustand des Versichert-Seins durch Versicherungsnehmer*innen zwar eine große Relevanz beigemessen wird, der Umgang mit Versicherungen aber als tendenziell unangenehm empfunden wird. Darin spiegeln sich auch die Spezifika des Versicherungsproduktes wider, das abstrakt, intellektuell komplex und stark affektiv besetzt sei; es habe den „Charakter eines Versprechens“ (Bahl 2014). Die Versicherung als „Technologie des Risikos“ (Ewald 1989) und Bestandteil der „Sozialisierungs- und Subjektivierungspraxis des verantwortlichen, risikobewussten und ökonomisch vernünftigen Individuums“ (Eisch-Angus 2019) vermittelt die Kalkulierbarkeit und Kompensierbarkeit spezifischer Ereignisse und Gefahren.
Sie ist gleichzeitig aber auch Teil der mythisch-suggestiv fundierten Realität der Sicherheitsgesellschaft. Den Konsum von Versicherungsprodukten als kulturelle Praxis begreifend, rückt davon ausgehend die ästhetische Ausgestaltung von Versicherungen in den Blick: Welche Bilder und Vorstellungen werden mit der Inszenierung von Versicherungen und damit von Sicherheit und Unsicherheit aufgerufen? Wie werden damit verbundene Werte in konkrete Erscheinungsformen überführt und welche Imaginationen von (Un-)Sicherheit werden dabei expliziert? Wer wird auf welche Weise über diese spezifische Inszenierungsformen adressiert und wie verlaufen Aneignungsprozesse der Ware ‚Versicherung‘? Mein Beitrag soll weniger die Bereiche Marketing und Werbung von Versicherungsgesellschaften thematisieren (dazu z. B. Speidel 2021), als vielmehr die ästhetischen Dimensionen in der Aneignung von Versicherungsprodukten durch die Versicherungsnehmer*innen, wie z. B. über das Gestalten eines sogenannten ‚Notfallordners‘, ausleuchten und nach den sinnlich-gegenständlichen Vergegenwärtigungen von (Un-)Sicherheit und den Mitteln ihrer Herstellung im Alltag von Versicherungsnehmer*innen fragen.
Der Vortrag präsentiert Ergebnisse aus meinem aktuell laufenden Dissertationsprojekt, das sich ethnographisch mit Prozessen der Wissensproduktion und -vermittlung im Kontext von Versicherungen befasst. Neben Interviewmaterial werden Materialien aus Archiven und Sammlungen, von Finanzwebseiten und Social Media-Auftritten sowie literarische Werke, populärkulturelle Zeugnisse aus Film und Fernsehen, Presseartikel und Radio- und Podcastbeiträge als empirische Quellen herangezogen.