Sascha Sistenich M.A. (Bonn)
“We are not yet queer” –
Präfigurationen queerer Alltagsentwürfe in LGBTQIA*Bewegungen
Der Beitrag untersucht im Kontext queerer sozialer Bewegungen und Aktivismen Zukunftsentwürfe und deren Präfigurationen einer fürsorglich-solidarischen Gesellschaft. Durch die Analyse von Praktiken des Re-Imaginierens von gegenwärtigen wie vergangenen sozialen Welten zeige ich die Verstrickungen unterschiedlicher Zeitlichkeiten im spekulativen Entwerfen möglicher, alternativer Welten auf (Binder/Chakkalakal 2022: 106).
Mit aktivistisch-kollaborativen ethnografischen Methoden untersuche ich seit 2022 in meinem Promotionsprojekt, wie queere Menschen in Settings wie Prides und anderen Bewegungen, queeren (politischen) Kollektiven sowie in persönlichen Beziehungen Praktiken der Solidarität präfigurieren und imaginieren, und welches transformative Potenzial „queere Utopien als Gegenwelten“ (Muñoz 2009) hervorbringen. Der Fokus liegt dabei auf den (politischen) Handlungsmöglichkeiten und Grenzen queerer Zukunftsentwürfe. Dabei betrachte ich nach Binder und Gammerl (2023) queere Ethnografie als „Modi der Annäherung, die Überraschungen ermöglichen, unerwartete Perspektiven eröffnen, festgefügte Kategorien durchkreuzen und Dinge in Bewegung bringen“.
Entlang der Vorstellung von Queerness als “not-yet-here” (Muñoz 2009) verdeutliche ich, wie Praktiken des Re-Imaginierens und spekulative Entwürfe in sozialen Bewegungen genutzt werden, um soziale und zeitliche Verflechtungen mit historischen Bewegungswissen und -praktiken neu zu denken. Mit der Analyse von Praktiken des Zukunft-Machens, die nicht der normativen reproduktiven Zukunftsauffassung unterliegen, stelle ich Potenziale utopischer politischer Imaginationen vor, die alternative Lebenswelten schaffen.
Der Beitrag beleuchtet, wie das zufällige Entstehen neuer Perspektiven im Hier und Jetzt genutzt werden kann, um gegenwärtige durch kapitalistische und heteronormative Logiken definierte Realitäten zu überwinden (vgl. Muñoz 2009). Queering wird als transformative Zukunftspraxis gesehen, um neue Formen der Kohabitation (Hark 2021) zu schaffen und gleichzeitig dystopischen Szenarien zu begegnen. So bietet meine Untersuchung Einblicke in die Möglichkeiten und Herausforderungen, die sich aus dem Umgang mit Zufall und Kontingenz in der ambivalenten Gestaltung antihegemonialer, solidarischer und zukunftsorientierter Gesellschaften ergeben.