Sektion_7_B

Dr. Christine Oldörp (Kiel)
Sprechmoment als glückliche Fügung und/oder gebändigter Zufall? Befragung einer Diskussion aus den Falkensteiner Protokollen

Flüchtige mündliche Kommunikation entschwindet im Moment ihrer Erzeugung. Sie ist ephemer, ihre Präsenz ist eine augenblickshafte, vorübergehende. Im Gespräch miteinander entsteht eine emergierende, instabile und sich aus heterogenen Elementen zusammensetzende und damit vielleicht assemblageartige (Marcus/Saka 2006) Vollzugswirklichkeit, die sich sukzessiv in der Zeit entfaltet und herausbildet und in der sich Anknüpfungspunkte an Gesagtes immer erst spontan ergeben. Die Gelegenheit, etwas auf etwas von jemandem zuvor Geäußertes zu sagen, muss ad hoc ergriffen werden, soll sie nicht verpasst werden. Michel de Certeau (1988) weist darauf hin, dass, um eine fremdbestimmte Gelegenheit erkennen und ergreifen zu können, praktische Klugheit bzw. Geistesgegenwärtigkeit (metis) vonnöten ist. John L. Austin (2002) kann dafür sensibilisieren, dass es Bedingungen gibt, unter denen performative Äußerungen (miss)glücken können. Sprechmomente eröffnen sich vielleicht aber nicht nur als glückliche Gelegenheiten (kairos), die sich in einer überraschenden Weise auftun, sondern werden auch durch diskursive Fügungen reguliert. Michel Foucault (2003) stellt so heraus, dass die irreguläre Ereignishaftigkeit und inhärente Zufälligkeit des Diskurses, sein Wuchern, durch verschiedene Prozeduren gebändigt wird, die das Sag- und Denkbare formieren und in eine diskursive Ordnung bringen.

Bezogen auf die Falkensteiner Protokolle soll versucht werden, eine der dort schriftlich protokollierten mündlichen Diskussionen auf diese Aspekte des Sprechmoments hin zu befragen. Als Quelle dient die schriftliche Wiedergabe der Diskussion. Wobei der Verdacht erörtert werden soll, ob die Art und Weise der schriftlichen Protokollierung des mündlichen Sprech- und Denkereignisses eine empirische Rekonstruktion von Sprechmomenten erschwert, wenn nicht geradezu verunmöglicht, und was das wiederum über die mittels dessen eingeschriebenen wissenschaftlichen Denkstandards aussagt.

Der Beitrag stellt eine erste analytische Annäherung im Rahmen meines Postdoc-Projekts zu „epistemische[n] Modi des Denkens“ da, in dem eine Re-Analyse der Falkensteiner Protokolle angestrebt wird.

Christian-Albrechts-Universität Kiel

TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)
TU Dortmund, Emil-Figge-Straße 50 (Foto: Roland Baege)

Veranstaltungsgebäude 2

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund
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